Ein Galopp durch das Periodensystem

Das Gastspiel von Felix Janosa zählt zum Besten, was der  Stolberger Musiksommer  zu bieten hat. Eine schonungslose Analyse.

Die kompositorischen Fähigkeiten von Felix Janosa setzten das Publikum im Rittersaal der Stolberger Burg in großes Erstaunen. Sein spannendes, anspruchsvolles Programm war musikalisches Kabarett vom Feinsten, gab er doch Einblicke über den Zustand der heutigen Musikindustrie preis und fiel damit ein wenig aus dem Rahmen der sonst üblichen Konzertprogramme innerhalb des Stolberger Musiksommers. Zugegeben: Vor dem Konzert war manch einer skeptisch. Doch nach zwei Stunden auf der Bühne war klar: Dieser Abend zählte zweifellos mit zu den Besten, was der Musiksommer in den letzten Jahren präsentiert hat.
Es machte einfach Spaß, sich von dem sympathischen Musiker „In die Hitfabrik“ entführen zu lassen. Gleich zu Beginn spielte er ein Potpourri der 100 größten Megahits in nur vier Minuten, eine kunstvolle Inszenierung, in der alle Genres (Operette, Kölner Karneval, Westernmusik, Musicals, Märsche…) eingebunden hatte.

So wenig hässliche Menschen

Die Antwort auf die Frage,“warum im Musikgeschäft so wenig hässliche Menschen arbeiten“, ergab sich aus der Tatsache, dass im Tonstudio „Heerscharen von unansehnlichen, dicklichen und glatzköpfigen Toningenieuren, Musikern oder Songbastlern“ darauf warten, „dass ein schönes Geschöpf aus der Außenwelt kommt und ihnen was zu tun gibt.“
Schonungslos beschrieb Janosa, wie der Weg zum Erfolg funktioniert, wie die Künstler gnadenlos vermarktet und eiskalt abserviert werden. Um im Musikgeschäft erfolgreich zu sein, sind laut Janosa drei Dinge wichtig: Kenntnisse von Betriebswirtschaft, vollkommen unmusikalisch zu sein und 80 Prozent des Einstiegskapitals für den Friseur zu verwenden. Denn wissenschaftliche Untersuchungen hätten ergeben, das 80 Prozent der Fernsehzuschauer auf die Frisuren achten und nur 20 Prozent auf die Musik.
Zwar hat Janosa erst mit über 50 die erste goldene Schallplatte bekommen, in Zukunft sollen weitere folgen. Er zeigte im gut besuchten Konzertsaal, wie aus zwei, drei Samples, aus dem Internet heruntergeladen, ein neuer Song entsteht. Die offene und unbefangene Art von Janosa war ansteckend. Er sprühte vor Energie, so dass das Publikum gar nicht anders konnte, als mitzugehen beim „Lagunen“-, „Stadl“- und „Ballermann-Schlager“. Dass das meiste Geld, das Studiobesitzer und Musiker erwirtschaften, aus der Werbung stammt, war für manchen Zuhörer neu. Auch Janosa erhielt den Auftrag, einen Song zur Bewerbung einer Bettnässer-Windel, die bei nächtlicher Befeuchtung akustische Signale von sich gibt, zu schreiben. Mit Goethes Faust für Berliner Problemkinder à la „Bushido“ erntete er zu Recht viel Beifall.

Der Betroffenheitskalender

Nach der Pause sang er Balladen über „Sir Pauls neue Sinfonie“ und „Fred Weasley durfte niemals sterben“. Inspiriert hatte ihn bei McCartney eine Zeitungsmeldung aus dem Jahre 2006, in der dieser sich durch den Bau einer neuen U-Bahn-Trasse unter seinem Tonstudio in seinem Schaffen gestört gefühlt und auf Entschädigung in Millionenhöhe beim Parlament geklagt hatte, was aber abgelehnt wurde. Fred Weasley war der rothaarige Zwilling aus Joanne K. Rowlings letztem Harry-Potter-Band. Ein anderer kultureller Ausflug begann in der Barockzeit, führte über die Romantik bis hin zu Kurt Weil und Reinhard Mey. Meisterlich mischte Janosa Klassik, Rock und andere Musikstile zu einem neuen Erlebnis.
Egal ob alt oder jung, bei ihm kommt jeder auf seine Kosten. Er versteht sein Handwerk perfekt und ist auch in den modernen Formen des Jazz zu Hause. Für den European Contest hatte er auf drei unterschiedlichen Stücken basierend (einem russischen Volkslied aus dem 14. Jahrhundert, einem Jimmi Hendrix Song von 1966 und Michelle von den Beatles) den „Zug aus Moskau“ komponiert, ein Lied voller musikalischer Kontraste und harmonischer Finessen.
Den Schlusspunkt setzte er mit einem Galopp („Cancan des Élements“) durch das Periodensystem der chemischen Elemente. Da der Applaus für diese großartige Leistung nicht enden wollte, gab es mit dem „Betroffenheitskalender“ noch eine kleine Zugabe.

 

Mit freundlicher Genehmigung aus der Stolberger Zeitung vom 3. September 2014