Zugängliche Klassik beim Musiksommer

Jan Vojtek präsentiert beim Klavierabend im Kulturzentrum ein raffiniertes Programm voll Tiefe und Lebendigkeit

STOLBERG Ein weiterer musikalischer Höhepunkt im Jubiläumsjahr des Stolberger Musiksommers war der Klavierabend mit Jan Vojtek im Kulturzentrum Frankental. Nicht nur das Konzertprogramm war hochkarätig, auch der Künstler spielte die Masse von großen, ansprechenden Klavierwerken mit herausragendem Klangsinn und pianistischer Farbenpracht, sodass es am Ende Standing Ovations und Bravo-Rufe für den äußerst begnadeten jungen Künstler aus Tschechien gab.

Florian Koltun, Pianist und Kulturmanager, hatte die Moderation des Abends übernommen und erleichterte durch seine Hintergrundkommentare auch Einsteigern den Zugang in die Klassik. Den Anfang gestaltete der 23-Jährige mit der „Ungarischen Rhapsodie Nr.2“ von Franz Liszt in einer Transkripition des ukrainischen Pianisten Vladimir Horowitz, der hier nicht auf eigene „Zutaten“ wie donnernde Passagen und perlende Läufe verzichtete.

    

Wollen dem Publikum etwas bieten: Ehepaar Xin Wang-Koltun (l.) und Florian Koltun (r.), in der Mitte Jan Vojtek

Fesselnde Charakterstücke

Vojtek erwies sich von Beginn an als ein Virtuose von hohem Grad, tauchte tief in die Gedanken- und Gefühlswelt Liszts ein und verlieh seinem Spiel Tiefe und Lebendigkeit. Ein tragisches Ereignis bei Straßenunruhen in Brünn, bei dem ein Student zu Tode kam, inspirierte Leos Janácek zu der „Klaviersonate 1.X.1905“. Mit den zwei Sätzen, die mit „Vorahnung“ und „Tod“ betitelt sind, hatte Jan Vojtek beim „Euregio Piano Award“ 2018 in Geilenkirchen einen Spezialpreis gewonnen, weil er die düsteren, depressiven Sätze, in denen Janácek seinen Schmerz und sein trauriges Gefühl verarbeitet hatte, einfühlsam und leidenschaftlich gestaltete. Heitere Melodien kamen in „Venezia e Napoli“, drei virtuosen Charakterstücken zu italienischen Themen von Franz Liszt, zum Ausdruck, mit denen Vojtek noch einmal das Publikum vor der Pause fesselte: Ein Kavalier lädt eine junge Frau zu einer romantischen „Gondelfahrt“ ein. Im Hintergrund erklingt das Lied, die „Canzone“ eines Gondolfiers, und am Schluss folgt eine virtuose „Tarantella“.

„Bilder einer Ausstellung“

Der Name Modest Mussorgski lebt in dem bedeutenden Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“, in dem das Genie der jungrussischen Schule sich durch Aquarelle und Zeichnungen des befreundeten Architekten Victor Hartmann 1874 angeregt fühlte. Die Komposition ist eine Hommage an den verstorbenen Freund. Mussorgski streift durch die Galerie und betrachtet die zehn Bilder, wobei das wiederkehrende Zwischenspiel der „Promenade“ die Bilder und deren unterschiedliche Stimmung miteinander verbindet. Jan Vojtek gelang eine geschmeidige emotionsreiche Interpretation mit Spannung und Esprit. Er besaß das Talent, die Bilder zum Leben zu erwecken. Für die Zuhörer war es Gänsehaut pur und klaviertechnisch eine große Meisterleistung.

Vier Monate vor der Uraufführung am 12. Februar 1924 beauftragte der Bandleader Paul Whitman George Gershwin ein Werk für sein Orchester zu schreiben, das Jazz und Klassik zusammenführe. Gershwin lehnte aus Termingründen zuerst ab. Als er dann Anfang des Jahres überrascht auf eine Zeitungsannonce in der New York Post stieß, in der Whiteman ein Jazz-Konzert mit ihm ankündigte, hatte er keine Wahl mehr und setzte seine Ideen, die ihm durch das monotone Geräusch auf einer Eisenbahnfahrt ins Ohr kamen, umgehend um.

Viele Versionen mit Orchester oder einfach nur auf dem Klavier sind seither erschienen. Diese hoch raffinierte Komposition verlangt dem Pianisten außerordentliche Fingerfertigkeit ab, der der junge Jan Vojtek voll gerecht wurde. Er gab der Interpretation viel Raum und Spannung, sodass der Versuch, Jazz und Klassik zusammenzubringen, nicht nur in New York, sondern auch in Stolberg zu einem großen Erfolg wurde.

Das Publikum war aus dem Häuschen, erhob sich von den Plätzen und applaudierte frenetisch. Als Zugabe spielte Jan Vojtek „Bugatti step“ von seinem Landsmann Jaroslav Jezek. (mlo)

 

Mit freundlicher Genehmigung aus den Stolberger Nachrichten vom 7. September 2018