Sternstunde der Kammermusik im „Haus Patio“ erlebt
André Parfenov und Juliana Münch begeistern im Rahmen des Stolberger Musiksommers mit nuancenreichen Interpretationen
Stolberg. Eine Sternstunde der Kammermusik erlebten die Zuhörer in Stolbergs neuem Konzertsaal am Steinweg. Im Rahmen des Stolberger Musiksommers boten André Parfenov und Juliana Münch virtuose, nuancenreiche und ausdrucksvolle Interpretationen von fantasievollen Kompositionen, wobei russische Werke überwogen. Die Besucher wurden reichlich belohnt, denn nicht nur der äußere Rahmen war erfreulich gut hergerichtet, auch die beiden Protagonisten konnten begeistern, weil sie selbst begeistert waren.
Ein Scherz mit dem Scherzo
Im gemütlich eingerichteten Wohnzimmer des „Hauses Patio“ von Möbel Kaesmacher stand der Flügel für den Ausnahmepianisten André Parfenov bereit, der mit Rachmaninoffs „Prélude cis-moll“ den Konzertabend einläutete. Über 1 Million mal ist dieses Stück bei Youtube bereits angeklickt worden und zählt damit zu den weltweit bekanntesten Stücken aus russischer Feder. Kurz nach seinem Erscheinen ging es um die Welt und brachte dem Namen des Komponisten eine beispiellose Popularität ein.
Was in Stolberg keiner wusste: Dem Verleger, dem der Komponist die Urheberrechte kurz vorher für 50 Rubel verkauft hatte, brachte dieses Stück Millionen ein, der Komponist selbst habe daran nichts mehr verdient, so André Parfenov. Juliana Münch (Violine) erklärte im weiteren Verlauf, das ihnen bei der Interpretation der verschiedenen Stücke der Mensch dahinter immer wichtig sei. Perfektion allein sei zu wenig, sondern nur Voraussetzung auf dem Weg für die inhaltlichen Dimensionen.
Einen musikalischen Scherz gab es mit dem „Scherzo Nr. 1 h-moll“, das 1832 fertiggestellt wurde und Chopin seinem Freund Tomas Albrecht gewidmet hatte. In dem langsamen Mittelteil hatte er ein polnisches, als Wiegenlied getarntes Volkslied eingearbeitet.
Der nächste russische Komponist war Tschaikowski: Seine Melodie in Es-Dur spielten die beiden mit Charme, Eleganz und Brillanz.
Traditionelle und konventionelle Formen verband Maurice Ravel mit neuen Klängen. Er machte sich vor allen Dingen die melodischen Figuren des Blues zunutze, die in den 1920er Jahren populär waren. Angeregt durch George Gershwin verlieh er so dem zweiten Satz aus der „Sonate für Violine und Klavier in G-Dur“ einen exotischen Charakter. Spanischer Herkunft ist Manuel de Falla, der für seine Kompositionen gerne auf literarische Vorlagen zurückgriff. Auf einem spanischen Volkslied basierte der „Spanische Tanz“, mit dem das Parfenov-Duo die Zuhörer auf einen wunderschönen Sommer einstimmte.
Im Repertoire der Musiker fand man nicht nur gängige Komponisten wie Tschaikowski, Chopin und Ravel, die beiden spielten auch Zeitgenössisches von Parfenov. Dass der Komponist seine Werke spielte, war schon etwas Besonderes.
Parfenov begann mit einer „Reminiszenz und Fuga“. Der an den Vereinigten Städtischen Bühnen (VSB) Krefeld/Mönchengladbach tätige Tastenkönig spielte dieses Werk mit viel Gefühl und Leidenschaft. Vor drei Wochen wurde das Duostück „Der kleine Prinz“, zu dem Parfenov durch Saint-Exupérys gleichnamiger Erzählung inspiriert wurde, uraufgeführt. In Stolberg spielte Juliana Münch den Violinpart. Die totale Hingabe an ihr Instrument war es, mit der die Künstler das Konzert bestritten.
Der Alltag mit seinen Tücken inspirierte Parfenov zur Komposition „Erfolg und Blamage eines Installateurs“. Er selbst habe zweimal Hochwasser in seinem Haus gehabt und sowohl gut und schlecht arbeitende Installateure kennengelernt. Nachdem die erste Reparatur misslungen war, sei er so wütend geworden, dass er dieses Stück komponiert habe. Mit dem „Piloten-Tango“ aus dem Ballett „Verlorene Kinder“ erinnerte er an das tragische Flugzeugunglück bei Überlingen am Bodensee am 1. Juli 2002. Damals fanden bei der Kollision eines Passagierflugzeuges mit einer Frachtmaschine mehr als 70 Menschen den Tod, darunter auch 52 Kinder aus seiner russischen Heimatstadt Ufa. Mit der Aufführung der „Hommage an Sergej Segejewitsch“ ging Juliana Münchs Wunsch in Erfüllung. Diese Bearbeitung aus dem Cinderella Ballett von Prokofiew lag ihr schon lange am Herzen. Parfenov erfüllte ihr den Wunsch gerne, allerdings brauchten sie hierfür die Genehmigung der Erben. Auf Anfrage hin schrieben diese in einem Brief, dass dieses Stück nur von Parfenov und Münch gespielt werden dürfe.
Für den lang anhaltenden Beifall bedankten sich die beiden mit Parfenovs „Zahnarzt-Polka“, die er als Dankeschön für einen Oberhausener Zahnarzt geschrieben hatte.
Mit freundlicher Genehmigung aus der Stolberger Zeitung vom 22. Juli 2013