Achterbahn der Gefühle
In der Finkenbergkirche ist die Spannung intensiv zu spüren, als der Aachener Organist Ralph Leinen den Stummfilm „Das Phantom der Oper“ mit seiner Musik untermalt. Konzert zum Musiksommer.
Stolberg. In der gut besuchten Finkenbergkirche war am vergangenen Samstagabend die Spannung fast greifbar zu spüren, denn Lon Chaneys Werk „Das Phantom der Oper“ von 1925, das zu den besten jemals verfilmten Horrorgeschichten zählt, wurde zum Abschluss des 24. Stolberger Musiksommers auf einer Leinwand gezeigt.
Der Aachener Organist Ralph Leinen begleitete den Stummfilm eindrucksvoll und sorgte mit seiner musikalischen Improvisation für die gruseligen Gänsehautmomente.
Der Stummfilm als Anfangszeit des bewegten Bildes habe sich durch Orchester oder Orgeln im Kino ausgezeichnet, die mit ihren ganz eigenen Effekten den Film bespielten, erklärte Gunther Antensteiner vom Arbeitskreis Stolberger Musiksommer dem Publikum.
Dialoge nicht ersetzen
Als die Lichter schließlich ausgingen, tauchte die Finkenbergkirche ein in die Pariser Opéra Garnier der 1880er Jahre. Während der gesamten Filmvorführung gelang es Leinen, die angsteinflößenden Szenen an der Orgel musikalisch zu unterstützen. Es ging nicht darum, die Dialoge zu ersetzen, denn diese wurden bereits durch übertriebene Gesten der Schauspieler kompensiert.
Vielmehr bestand die Herausforderung für den Organisten darin, Stimmungen bei Windgeräuschen oder beim Öffnen einer Tür treffend zu untermalen.
So wird das Phantom, das abgeschieden von der Menschheit unter der Pariser Oper lebt und sein entstelltes Gesicht unter einer Maske verbirgt, von Leinens Musik nicht nur als gefährliches Monster, sondern auch als ein einsames Geschöpf gezeigt. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle war die Folge, in der sich Erschrecken mit Mitleid vermischte.
Leiche gefunden
Als das Phantom einen Kronleuchter auf das Publikum in der Oper stürzen ließ oder die Leiche eines Mitarbeiters der Oper gefunden wurde, hielt das Publikum in der Finkenbergkirche zu Leinens dramatischer Musik beinahe hörbar den Atem an.
Die stimmungsvolle Atmosphäre zeichnete sich aber auch durch Szenen aus, die bei den Zuschauern und Zuhörern für erheitertes Gelächter sorgten, beispielsweise als Mitarbeiter der Pariser Oper durch eine Falltür fielen und plötzlich wieder auftauchten.
Die eineinhalb Stunden Spielzeit bestand komplett aus den Improvisationen von Ralph Leinen, der vor zwei Jahren bereits den Stummfilm „Nosferatu“ mit Vampirthematik in der Finkenbergkirche bespielte: „Anders als bei festgesetzter symphonischer oder moderner Filmmusik steht das, was ich spiele, nicht auf Notenblättern“, erklärte der Organist.
Zwar habe er im Vorfeld Klangfarben experimentiert und einige Ideen notiert, aber letzten Endes gebe es kein Stück, welches gespielt werde. Vielmehr bestehe die Kunst darin, sich live dem Film anzupassen und bildorientiert zu spielen. So könne die Stimmung durch die gespielten Harmonien getroffen werden, was dem Aachener Organisten in der Finkenbergkirche nun bereits zum zweiten Mal eindrucksvoll gelang. (mepo)
Mit freundlicher Genehmigung aus der Stolberger Zeitung vom 14. November 2017