Die folgenden Konzertkritiken stammen aus den „Stolberger Nachrichten“ bzw. „Stolberger Zeitung“. Die Bereitstellung der Artikel erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Verlage bzw. Verfasser
Susanne Kessel: „Das Kalifornische Konzert“ 17.6.2006
Artikel aus „Stolberger Zeitung“
Klavierklänge rufen das Exil der Künstler in Erinnerung
Susanne Kessel gelingt mit ihrem „Kalifornischen Konzert“ eine ungewöhnliche und zugleich begeisternde Darbietung
Europäische Komponisten, vorwiegend jüdischer Herkunft, die Repressalien der Nazis fürchteten, emigrierten während der 30er Jahre in die USA. Kalifornien, insbesondere Los Angeles, wurde ihre neue künstlerische Heimat. Ein Auskommen fanden die Emigranten in der Filmindustrie Hollywoods. Die Pianistin Susanne Kessel aus Bonn ist den Spuren der Exilanten gefolgt und ließ sich von den in Kalifornien entstandenen Werken inspirieren. „Kalifornisches Konzert“ nennt sie das Ergebnis ihrer USA-Reise, das die Pianistin im Museum Zinkhütter Hof präsentierte.
Ursprünglich als Eröffnung des Musiksommers Ende Mai geplant, hatte das musikalische Portrait der Kulturmetropole Los Angeles wegen einer Erkrankung der Künstlerin verschoben werden müssen. Dass die Verschiebung der hohen Qualität der Aufführung keinen Abbruch tat, stellte die Protagonistin jetzt eindrucksvoll unter Beweis. Experimentierfreudig und ausdrucksstark präsentierte sie den Zuhörern ein außergewöhnliches Klangerlebnis. Susanne Kessel, die als erlebnishungrige Avantgarde-Pianistin bezeichnet wird, verstand es, dem Klavier ausdrucksstarke und kraftvolle Töne zu entlocken, indem sie etwa bei dem Stück „Die Gezeiten des Manaunaun“ von Henry Cowell sogar mit der Faust und dem Unterarm über die Tastatur des Instrumentes eilte. Das Konzert begann mit einem Querschnitt, der Werke von John Cage und Sergej Rachmaninoff zu einem Melodienbogen vereinigte. Immer wieder schaffte es Kessel, scheinbar gegensätzliche Werke, die nicht nur die Musik europäischer Emigranten sondern auch junger amerikanischer Komponisten beinhaltete, zu einer harmonischen Melodienfolge zu verbinden. Dabei kam ihre temperamentvolle Spielweise voll zur Geltung.
Die Zuhörer genossen die ausdrucksstarke Aufführung und sparten nicht mit Szenenapplaus. Eine Hommage an das Werk von John Cage war die CD-Einspielung aus der Villa Aurora in Los Angeles. Die Villa Aurora, einst im Besitz von Lion Feuchtwanger, war in den 30er Jahren Aufführungsort zahlreicher Emigranten-Konzerte. Die 2004 in Los Angeles aufgenommenen Vogelstimmen und Motorengeräusche stellten einen Kontrast dar zu den von der Bonner Pianistin aufgeführten Werken von Hans Eisler, Kurt Weill und Ernst Toch. Der zweite Teil des Konzertes war geprägt von Kompositionen, die unter der Regie von Charles Chaplin und John Williams entstanden. Maschinengedröhn, dargestellt auf dem Klavier, meinte man zu hören, als das Stück „In the factory“ von Eric Zeisl erklang. Mit der Musik aus „Schindlers Liste“ und einer von Herman Hupfeld komponierten Melodie aus dem Film „Casablanca“ endete das ungewöhnliche Konzert, das mit reichlich Applaus belohnt wurde.
Toni Dörflinger
„Von Bach bis Bossa Nova“ 7.6.2006
Artikel aus „Stolberger Zeitung“
Ein Ohrenschmaus von allerfeinster Güte
Musiker begeistern mit „Von Bach bis Bossa Nova“ in der Vogelsangkirche ihr großes Publikum. Expressivität vereint mit hohem technischen Anspruch. Komposition in einer in Stolberg so noch nie gehörten Fassung.
Das Zweite Konzert des Stolberger Musiksommers bot in der vollbesetzten Vogelsangkirche einen Ohrenschmaus von feinster kammermusikalischer Güte. Unter dem ungewöhnlichen Titel „Von Bach bis Bossa Nova“ gingen Anke Held (Sopran), Jürgen Haufer (Gitarre), Matthias Purrer (Violoncello) und Theo Palm (Cembalo und Orgel) der Frage nach, welchen Einfluss Bach auf Komponisten und Musiker der Romantik, der Moderne und des Jazz hatte. Angefangen mit Bachs „Adagio“ und „Allegro“ aus der Sonate für Viola da gamba und Cembalo gelang Matthias Purrer und Theo Palm eine sehr einfühlsame und transparente Wiedergabe voll hoher Streicherkultur und mit behutsamen dynamischen Differenzierungen. Jürgen Haufer überzeugte mit brillantem Gitarren-Spiel. Es war faszinierend, mit welcher Virtuosität er sein Instrument beherrscht. Selbst die stillen Momente beinhalteten Passagen höchster Fingerakrobatik. Zusammen mit Anke Held und Matthias Purrer brachte er das „Largo“ aus dem Cembalokonzert f-moll von Bach im Stil von Ward Swingle, wobei die Sängerin die Melodie mit Silben des Skat-Gesanges unterlegte; eine rhythmisch anspruchsvolle swingende Komposition in einer in Stolberg so noch nie gehörten Fassung. In den Arien „Seufzer, Tränen, Kummer, Not“ und dem „Jauchzet Gott in allen Landen“, beide von Bach, zeigte Held, dass sie auch die klassische Musikliteratur beherrscht. Nach der Pause widmeten sich die Vier hauptsächlich den Werken argentinischer und brasilianischer Komponisten. Ihre Musik kam den musikalischen Ambitionen der Künstler besonders entgegen, vereinten sie doch Expressivität mit hohem technischen Anspruch. Zu den neueren von Bach beeinflussten Werken zählten das „Cafe 1930“ von Astor Piazzolla für Gitarre und Cello und „Bachianas Nr. 5“ von Hector Villa-Lobos für Gitarre und Sopran. Auf Begeisterung stießen auch der Bossa Nova „Black Orfeus“ von Luiz Bonfa, der brasilianische Folklore mit Cool Jazz verband sowie Antonio Carlos Jobims „One Note Samba“. Jobims Arrangements, die immer wieder an neue Grenzen führen, eröffneten für die populäre Musik Brasiliens neue Wege und Möglichkeiten. Den Musikern gelang es hervorragend, das typisch Unbeschwerte dieser Stücke, ihren Schmiss und ihre Faszinationskraft zu treffen.
M.L.Otten
Kinderkonzert: „Hänsel und Gretel“ 11.6.2006
Artikel aus „Stolberger Zeitung“
Knusperhexe treibt im Wald ihr Unwesen
Musikalische Matinee „Hansel und Gretel“ mit herausragenden Interpreten. Tolle Leistung der Schüler des Ritzefeld-Gymnasiums.
Nahezu ausverkauft war die Matineeveranstaltung für Kinder im Kulturzentrum Frankental. Gespannt lauschten nicht nur die jungen Zuhörer der deutschen Märchenoper „Hänsel und Gretel“, mit der Engelbert Humperdinck 1893 schlagartig berühmt wurde. Dargeboten wurde dieses romantische Werk von dem Irmelin Sloman Musiktheater mit Inka Polster (Gretel), Judith Schneider (Hänsel), Martin Schmitz (Vater Peter Besenbinder), Nadine Sträter (Sand- und Taumännchen), Irmelin Sloman (Mutter Gertrud und Knusperhexe) sowie Thomas Palm (Klavier). Als Engel und Lebkuchenkinder sangen und spielten 36 Schüler/innen der 5. und 6. Klassen des Ritzefeldgymnasiums Stolberg. Für das Bühnenbild – optisch einfach, aber funktional und bestechend – zeichnete Charlotte Palm verantwortlich. In der Besenbinderstube, im Wald und vor dem Knusperhäuschen fühlten sich die Akteure heimisch. Kinderlieder wie „Suse, liebe Suse“, „Ein Männlein steht im Walde“, Tanzduett „Brüderchen, komm tanz mit mir“, Traum, Hexenjagd und schwierige Ariosi meisterten die Schüler der Folkwang Hochschule Essen und der Hochschule für Musik Köln erstklassig. Inka Polster und Judith Schneider waren ein Geschwisterpaar, das spielerisch auf Alt- und Sopranpfaden wandelte. Ihr „Abendsegen“ zählte zu den Höhepunkten der Aufführung. Auf die knorrige Deftigkeit seines Baritons vertraute Martin Schmitz als fröhlicher Besenbinder. Und sein Weib Irmelin Sloman vermochte die sorgenvollen Töne einer in Armut lebenden Frau mit dramatischem Bogen zu führen. Die Rolle als Knusperhexe, die im Wald ihr Unwesen treibt, ebenfalls von der Regisseurin gesungen, war wie geschaffen für sie. In Sand- und Taumännchen fühlte sich Nadine Sträter, die im zweiten Semester Gesang studiert, beherzt ein. Der Auftritt der 14 Engel am Ende des zweiten Bildes sowie die Verwandlung der Lebkuchenmännchen beim Finale bestritten die Schüler des Ritzefeld-Gymnasiums. Man merkte ihnen gar nicht an, dass es nur eine gemeinsame Probe mit den Profis gegeben hatte, wohl ein Verdienst von Susanne Beuth und Oskar Ludwig, die diese Rollen mit den Kindern einstudiert hatten. Den Hauptpart der zweistündigen Darbietung hatte Thomas Palm zu bewältigen. Seine Vor-, Zwischen- und Nachspiele bargen klingende Köstlichkeiten. Da war die simple Steigerung zum Fortissimo im Finale nichts Besonderes.Dem Team des Musiksommers kann man nur gratulieren, dass es solche eine Aufführung möglich gemacht hat.
M.L.Otten
Konzert des Vuillaume-Trios 24.6.2006
Artikel aus der „Stolberger Zeitung“
Exzellent gestalteter Kammermusik-Abend
Begeisterter Applaus und zwei spannend gespielte Zugaben des Vuillaume-Trios beim Abschluss des Stolberger Musiksommers
Einen packenden, spannungsgeladenen und stimmungsvollen kammermusikalischen Abend erlebten die Zuhörer im Rittersaal beim Abschlusskonzert des Stolberger Musiksommers, gegeben von dem glänzend aufgelegten Vuillaume-Trio aus München in der Besetzung Sylvia Eisermann (Violine), Michael Ruppert (Violoncello) und Marcus Reißenweber (Klavier). Überaus engagiert und hoch motiviert boten die technisch versierten Musiker ein Programm, dessen Inhalt vom charakteristischen Kolorit verschiedener volkstümlicher Klangbilder geprägt war. Böhmisch-slawisch in dem Klaviertrio op. 90 in e-moll von Antonin Dvorak, dem berühmten „Dumky-Trio“, so bezeichnet wegen der darin vom Komponisten nachempfundenen Melodien und Rhythmen seiner Heimat. Dann spielerisch klassisch mit einem Schuss „al Ongarese“ mit einem der wohl bekanntesten Haydn-Werke, dem so genannten „Zigeunertrio“ und zum Konzertausklang lateinamerikanisch in den „Vier Jahreszeiten von Buenos Aires“ von Astor Piazzolla. Durch einen mitreißenden variantenreichen Vortrag des Vuillaume-Trios wurden diese Stücke zu differenziert ausgeleuchteten musikalischen Genrebildern, kosteten die Drei alle Stimmungsmomente dieser Kompositionen voll aus. Das wurde gleich zu Beginn im Dvorak-Trio deutlich, als sie die Gegensätze zwischen langsam und schnell, ernst und heiter, melancholisch-versonnen und temperamentvoll in überraschenden Akzentsetzungen und großer Ausdrucksstärke ausloteten und herausarbeiteten. Dabei spielten sie die jedem Instrument zugewiesenen melodischen Partien mit feinnerviger Empfindsamkeit und in schönem Melos und die tänzerisch-rhythmischen Momente energisch, kraftvoll und fesselnd, manchmal geradezu wild. Das galt auch für das nachfolgende G-Dur-Trio von Haydn mit dem heiteren Kopfsatz, mit seinem von der Geige wunderschön ausgesungenen Adagio und einem, brillant und überschäumend musizierten Finale. Vor allem aber kam diese kontrastbetonte Interpretationsweise mit ihren unterschiedlichen Gefühlsausbrüchen und Empfindungen in den um ein charakteristisches Piazzolla-Stück erweiterten „Vier Jahreszeiten von Buenos Aires“ voll zum Tragen. Bei allem gab es keine Brüche in der klanglichen Balance des Ensembles, in seinem prägnanten Zusammenspiel und seiner musikalisch reifen Darstellung. In Stolberg wurde seit langem nicht mehr eine solch exzellent gestaltete Kammermusik gehört wie die vom Münchener Vuillaume-Trio, das sich für den begeisterten Applaus mit zwei ebenso zupackend und spannend gespielten Zugaben bedankte.
Hans – Leo Recker
Konzert mit M.R.Heyne, Th.J.Schneider und Th.Palm 27.5.2006
Artikel aus der „Stolberger Zeitung“
Brillantes Kammermusikspiel zum Auftakt
Für das neu formierte Kultursommerteam begann der 14. Musiksommer mit der undankbaren Aufgabe, den Zuschauern mitzuteilen, dass die für den Abend angekündigte Pianistin Susanne Kessel wegen einer Erkrankung absagen musste. Dafür sprangen Maria Regina Heyne (Sopran), Thomas Jakob Schneider (Gitarre) und Theo Palm (Klavier) ein und boten dem Publikum ein interessantes und abwechslungsreiches Programm. Maria Regina Heyne, in Stolberg keine Unbekannte mehr, überzeugte auch diesmal mit ihrem natürlichen Charme und ihrer geradlinigen und klangschönen Stimme. Ihr Partner, der Österreicher Thomas Jakob Schneider, formte auf seiner Gitarre faszinierende Klangfarben. Dazu waren Ernst und Konzentration angesagt und eine verinnerlichte Spielhaltung. Bereits in den Kompositionen von John Dowland, dessen Lautenlieder sich durch subtile Textbehandlung, melodische Erfindungskraft, rhythmische Vielfalt und harmonischen Reichtum auszeichnen, erlebten die Zuhörer ein brillantes Kammermusikspiel. Mauro Giuliani erfand die „chitarra di terza“, deren Saiten um eine Terz höher gestimmt sind als die bei der normalen Gitarre. Aus einem Zyklus von sechs Cavatinen präsentierte das Duo vier heitere Liebeslieder. Der Kenner merkte gleich, dass der italienische Komponist sich hier an Rossini angelehnt hatte. Auch in den „Cantiones Espanolas“ , Liebeslieder im spanischen Stil, die von dem Gitarrenvirtuosen Fernando Sor folgten, waren die beiden Künstler ein gut aufeinander abgestimmtes Team. Schneider hat es in Stolberg verstanden, die Gitarre als Konzertinstrument im Bewusstsein der Hörer bei diesem Konzert zu etablieren. Dank perfekter Spielfertigkeiten wie zum Beispiel in der „Serenata Espanola“ von Joquin Malats erreichte er damit ein hohes Niveau jenseits der Flamenco-Feuerwerke. Einen Streifzug durch die mexikanische Musikwelt gab es mit Manuel Ponce. Den Schlusspunkt setzte Enrique Granados, der zu den großen Erneuern der spanischen Musik gehört. Die Hymne an Andalusien fehlte ebenso nicht wie Stücke aus dem Klavierzyklus „Tonidillas“, zu denen er sich durch Bilder des Malers Goya hatte inspirieren lassen. Einen hörenswerten Beitrag leistete Theo Palm mit Francis Poulencs Tanzformen „Bransle de Bourgogne“ und „Carillon“ aus der Suite francaise nach dem Satz des Hofmusikus Claude Gervaise auf dem Flügel. Desweiteren zeigte er mit drei Stücken von Astor Piazzolla, dass er sich hinter der mit Vorschusslorbeeren angekündigten Bonner Pianistin nicht zu verstecken braucht. Seine bittersüßen Piazolla-Tangos, die zwischen überdrehter Fröhlichkeit und klagender Trauer wechselten, zeugten von großer Professionalität und virtuosem Können. Zwei kurze Zarzuelas, in denen sich maurische und christliche Einflüsse begegneten, vom andalusischen Komponisten Frederico Garcia Lorca, beendeten das Eröffnungskonzert des Musiksommers. Das ursprünglich angekündigte Konzert mit Pianistin Susanne Kessel soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
M.L.Otten